Ich möchte mal wieder eine Story erzählen, die man wahrscheinlich lustig finden könnte, wenn sie nicht 1. wahr wäre und 2. uns passiert ist.
2006 hatte mein Liebster noch in Moskau die Idee für ein kleines Business und sich als IP, als Einzelunternehmer, registrieren lassen. Das ging schnell, war nicht schwierig und auch nicht teuer. Das Ganze lief aber nicht so richtig und schlief irgendwann ein. Bevor wir aus Moskau wegzogen (ich erinnere die werte Leserschaft, das war im Sommer 2010), haben wir auch versucht, das Kleingewerbe wieder abzumelden, aber es stellte sich heraus: Im Gegensatz zur Anmeldung geht das nicht schnell und ist durchaus schwierig, weil man x Bestätigungen von Renten- und Steuerbehörde braucht, und wenn man von der zweiten Behörde alles hat, ist die „spravka“ von der ersten schon wieder veraltet. Letztlich haben wir kurz vor der Abreise eine kleine juristische Firma beauftragt, von der wir jetzt vor zwei Wochen die Bestätigungsurkunde geschickt bekommen haben: Auftrag ausgeführt, Gewerbe abgemeldet. Nachgezahlte Rentenbeiträge, Strafe für nichteingereichte Steuererklärungen und Honorar für die Juristen: 1.200 EUR. Zähneknirsch… das Honorar für die Juristen war dabei der kleinste Teil. Selbst schuld, der Liebste hätte sich halt drum kümmern müssen, dass er rechtzeitig alles erledigt – schließlich wusste er schon lange vorher, dass es mit dem Gewerbe nix wird. Egal.
Jedenfalls wollten wir gerade anfangen, uns zu freuen – endlich diese Sache vom Tisch, jetzt schwebt nichts Unerledigtes mehr in Russland herum, da ruft letztes Wochenende mein Schwiegervater an: Es kam eine Ladung zum Wirtschaftsgericht der Stadt Moskau. Der Liebste in heller Aufregung, erstmal Vollmacht organisieren, dass der Schwiegervater die Ladung von der Post abholen und uns gescannt schicken kann – 10 Seiten mit Gerichtsbeschluss und Terminierung der ersten Verhandlung für Mai, Klageschrift vom Rentenfonds der Russischen Föderation, Protokoll einer internen Prüfung durch die Verwaltung der Rentenkasse usw.
Ich hab mich dann also hingesetzt und das Ganze studiert: Bissel über 1.000 Rubel (ca. 25 Euro) Bußgeld wollen sie haben, weil der Liebste angeblich irgendwelche Meldungen für das Jahr 2010 nicht oder verspätet an die Rentenkasse geschickt hat, und geklagt haben sie, weil das Bußgeld nicht freiwillg bezahlt wurde (wie auch, wir wussten ja davon nichts). Die Klagesumme ist natürlich ein Witz, aber noch viel witziger ist: Wir hatten die ganze Zeit gar keine Meldungen abgegeben – seit 2006 nicht. Das hat all die Jahre auch keinen interessiert. 2010 hab ich das dann alles nachgeholt, natürlich für das laufende Jahr nicht, das war ja noch nicht zu Ende. Mittlerweile hatten unsere Juristen da in Moskau aber alles gemeldet, bezahlt und auch sämtliche offizielle Bestätigungen für die endgültige Gewerbeabmeldung erhalten, die man nur dann bekommt, wenn keine Schulden o.ä. offen sind. Kurzer Anruf – die könne sich das auch nicht erklären, aber kümmern sich drum.
Zwei Tage später dann wieder ein Anruf vom Schwiegervater: Noch ein Brief – diesmal direkt vom Rentenfonds: „… Wir ziehen unseren Antrag zurück … alles erledigt … Bußgeldverfahren eingestellt … wenn Sie aber bitte noch 1,88 Rubel (0,45 Euro) Verzugszinsen nachzahlen würden …“ Ist das nicht der Hammer?
Soll man jetzt lachen, weil das alles wie ein verspäteter Aprilscherz aussieht, oder soll man weinen, weil das die Realität des russischen Behördendschungels ist? Man kann sich ja leider nicht drauf verlassen, dass sowas ein Happy End findet und dann noch so schnell (wir haben auch schon um die 6.000 Rubel doppelt zahlen müssen, weil die Zuständigkeit des Gaswerkes sich geändert hatte und die meinten, sie könnten nix dafür, wenn wir an das falsche gezahlt haben – das war die Fortsetzung von dieser Geschichte.) Außerdem ist laut Internetkalender des Moskauer Wirtschaftsgerichts (es geht auch fortschrittlich!) unser Verhandlungstermin im Mai immer noch aktuell… wir sollten mit dem Freuen also vermutlich doch lieber noch ein bisschen warten.
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