Arche Noah 2010

Nach einer kurzen Atempause, die wir vorige Woche im Ausland hatten, dürfen wir seit Freitag die Moskauer Luft und alles, was sich derzeit darin befindet, wieder in vollen Zügen genießen. Wir haben schon bereut, dass wir überhaupt zurückgeflogen sind und uns in unserem kleinen Haus im Moskauer Umland verbarrikadiert, alle Fenster zugeklebt, Türen nochmals abgedichtet. Und so saßen wir am Wochenende wie in einem U-Boot und warteten, dass der beißende graue Schleier, der die Sichtweite am Wochenende auf ca. 300 m begrenzt hat, sich wieder hebt. Wir ertappten uns immer wieder dabei, wie wir am Fenster stehen und nach draußen gucken wie Leute auf hoher See, die auf den ersehnten Ruf „Land in Sicht!“ warten. Und wir wunderten uns, wie unsere Nachbarn Fenster und Türen aufreißen und draußen herum laufen und nebenbei quasi lebend geräuchert werden.

Uns geht es soweit gut – das schlaue Köpfchen und die geschickten Hände meines Liebsten haben unser Häuschen in eine Oase verwandelt, in der die Luft sauber und die Temperaturen erträglich sind. Vorausschauend wurde am Anfang der Hitze eine Miniklimaanlage in einem Zimmer eingebaut, die ist mittlerweile mit Kohlefiltern beklebt. Unser Ziegelofen sorgt für Luftzirkulation, ein Luftreiniger und eine weitere Dunstabzugshaube, beide behängt mit feuchten Tüchern, schaffen es, das bisschen Luft, was wir von draußen reinlassen, von Kohlenmonoxid und anderen Leckereien zu befreien, so dass es sich mittlerweile tatsächlich aushalten und ohne Kopfschmerzen schlafen lässt.

Zum Spazierengehen (Kind muss auch mal Energie rauslassen) sind wir übrigens gestern in den OBI im Einkaufszentrum „Mega Belaja Datcha“ gefahren. Im „Mega“ selbst hängt auch ein Schleier, aber am OBI-Eingang im Gebäude drin ist ein kleiner Innenspielplatz – und dort kommt die Luft ganz frisch aus der Belüftungsanlage. Empfehlenswert!

Heute musste ich nun wieder arbeiten, meine Atemschutzmaske ist wahrscheinlich gerade gut genug, dass man keine Aschepartikel einatmet, aber mehr Sauerstoff bekommt man natürlich nicht… und viele Moskauer laufen deshalb ohne jeglichen Schutz herum. Temeperaturen nach wie vor um die 40 Grad, über uns eine Dunstglocke… aber am Nachmittag wurde es endlich wieder etwas heller, der Nebel ist etwas gewichen. Wir warten weiter auf „Land in Sicht“.

Schnee

… ist schön.

Viel Schnee ist auch mal ganz schön.

Aber sooo viel Schnee wie in den letzten Tagen ist schon gar nicht mehr schön – wir sind nämlich auf unserer Datscha quasi eingeschneit, und mein lieber Mann kommt schon seit zwei Tagen nur mal schnell auf eine Tasse Tee oder zum Wechseln der durchnässten Schuhe nach Hause und schippt ansonsten von früh bis spät die Unmassen von Schnee irgendwo hin, damit wir vom Hof und aus der Gartensiedlung raus kommen. Ein Kettenfahrzeug haben wir nämlich nicht, und die Frischfuttervorräte gehen allmählich zur Neige 🙂

Edit: Auf Wunsch eines einzelnen Herrn hier ein paar Bilder:

Warten auf…

… Schnee.

Seit etwas über einer Woche haben wir stabile Minusgrade, heute früh erstmals unter -10 (knackige -12 Grad nämlich), und eigentlich mag ich das. Aber es liegt kein Fitzelchen Schnee, das mein Erdbeerbeet und unser noch relativ frisches Fundament ein wenig wärmen könnte. Dafür sind zu Neujahr wieder Plusgrade angekündigt… sollte also bis dahin doch was von dem weißen, fluffigen Zeug vom Himmel fallen, wird das wohl nicht lange halten. Obwohl – wer glaubt schon den Wetterberichten von – wie Andrej das nennt – „Scheiß-Meteo„?

es grünt so grün

Nachdem es nun wirklich eine ganze Woche lang fast ununterbrochen geregnet hat, scheint heute endlich wieder ein bißchen die Sonne. Wurde auch Zeit, sonst hätten wir uns bald nur noch per Schlauchboot von der Haustür bis zum Auto fortbewegen können.

Ich hoffe, meine Rosen sind nicht abgesoffen… immerhin geht es anderen Spezies in unserem Garten bisher ganz prima: Ich darf vorstellen – Jette, eine meiner fünf Gladiolen, sah vor genau 20 Tagen noch so aus:

… und heute früh schon soooooooo: 

Moskauer Mietpreise…

…haben es in sich. In einer solchen Riesenstadt mit riesenvielen Einwohnern, Zuzüglern, Pendlern, Gästen und Gastarbeitern ist Wohnraum immer knapp. Und neu gebaute Wohnungen kommen nur in den wenigsten Fällen denen zugute, die am dringendsten eine brauchen – die Warteliste für die kostenlose Zuteilung von (sozialem) Wohnraum ist lang, in Moskau warten wohl um die 160.000 Familien auf eine „Verbesserung ihrer Wohnbedingungen“, wie das im Beamtenrussisch heißt. Manche stehen schon 20 Jahre und länger auf der Liste. Zwar soll sich die Liste bis 2010 um die Hälfte verkürzen – aber ob das dadurch geschieht, dass die Leute tatsächlich Wohnungen bekommen oder ob einfach bestimmte Ansprüche und damit Leute von der Liste gestrichen werden, ist unklar.

Viele, wenn nicht sogar die meisten Moskauer leben in der Wohnung, in der sie und/oder ihre Eltern zu Zeiten der Sowjetunion schon wohnten, denn für die braucht man keine Miete zahlen: Entweder man pachtet die Wohnung quasi von der Stadt oder vom Staat für wenig Geld. Oder man hat die Wohnung privatisiert, das heißt, sie wurde in Privateigentum umgewandelt, was zwar mit einigem bürokratischen Aufwand und Rennerei verbunden ist, aber insgesamt nicht besonders viel kostet. Das ist der Grund dafür, dass relativ viele Moskauer in Eigentumswohnungen wohnen.

Problematisch wird es, wenn die eigenen Kinder groß werden und eigentlich selber eine eigene Wohnung bräuchten… Gut, wenn dann die Oma oder der Onkel rechtzeitig stirbt und deren Wohnung frei wird. Auch gut, wenn man Glück hatte und die Baufirma nicht pleite gegangen oder mit dem Geld verschwunden ist, das man günstig in eine Wohnung investiert hat, als es diese erst auf dem Papier gab. Noch besser, wenn man – wie auch immer – an mehrere Wohnungen gekommen ist, denn dann hat man selbst ein Dach über dem Kopf und kann auch anderen für teures Geld eins anbieten. Von den Mieteinnahmen bezahlt man dann die nächste Wohnung… oder ein Haus in Spanien.

Jedenfalls: Wer irgendwie kann, kauft Wohnraum. Wenn man selbst keinen braucht, kann man damit immer noch richtig gutes Geld verdienen:

  •  13m² mit Balkon in 3er-WG, möbliert, ziemlich weit draußen (per Metro 25 Minuten bis zum Zentrum) – 400 Euro.
  • 16 m² in WG, möbliert, im Zentrum – 700 Euro.
  • 2-Zimmer-Wohnungen, möbliert, am südlichen Stadtrand (Metro Krasnogvardejskaja) – zwischen 800 und 2000 US-Dollar (für ca. 50 +/-5 m²).

Wer mietet, kann sich übrigens selten „sein eigenes Nest“ einrichten. Möbliert heißt, dass die Möbel der Vermieter drin sind, die sie selber nicht mehr brauchen – ob die einem nun gefallen oder nicht. Schlösser wechseln darf man nicht, und so kann es sein, dass die Vermieter unverhofft mal zu Besuch kommen (und dass möglicherweise danach der eine oder andere Wertgegenstand fehlt). Wenn man renovieren möchte, muss man die Eigentümer fragen – und wenn ihnen die frisch hergerichtete Wohnung dann gut gefällt, kann es sein, dass der Mietvertrag kurzfristig gekündigt wird. Ach und Mietverträge werden sowieso nur für 11 Monate abgeschlossen – sonst müsste man sie offiziell registrieren, und das hieße Mieteinnahmen versteuern. Außerdem kann man so alle 11 Monate die Miete anheben, und wenn es dem Mieter nicht passt, muss er eben gehen.

Noch Fragen, warum wir nicht in Moskau wohnen, sondern draußen auf dem Lande?

heißes Pflaster

Am Donnerstagvormittag ist einer der angesagtesten Moskauer Clubs, das sogenannte „Diagiliev Project“ abgebrannt. Krone.at schreibt:

Das „Diaghilev“ ist einer der beliebtesten Clubs der neuen Schicht wohlhabender Russen. Eine Tischreservierung kostet dort bis zu tausend Dollar.

So ganz stimmt das nicht – eine Tischreservierung bekommt man da gerade mal ab tausend Dollar. Entschuldigung, bekam müsste es richtig heißen. Jetzt gibt es also einen Vergnügungstempel weniger. Nicht, dass ich das besonders traurig fände – ich bin eh kein Clubgänger und außerdem nicht schönreich, und da der Brand tagsüber ausbrach, kam zum Glück niemand ums Leben. Schade ist es allenfalls um das Gebäude – wieder ein Stück historisches Moskau weniger. Böse Zungen behaupten übrigens, dass das Haus nur deshalb total ausgebrannt ist, weil die Feuerwehrleute nicht reinkamen. Die Gesichtskontrolle war wohl zu streng… 😉

das alte Moskau

Weil es zum Thema vom vorigen Beitrag passt, hier ein paar Links:

Das Projekt „Moskva, kotoroj njet“ (Das Moskau, das es nicht mehr gibt) hat es sich zum Ziel gesetzt,

„die Menschen, die es ewig eilig haben, für die Stadt zu interessieren, in der sie wohnen. Wir möchten, dass es zum guten Ton wird, Moskau zu kennen. Dann wird auch die Sorge um seine Erhaltung für uns zu einer täglichen Notwendigkeit.“

Die Projektmacher sammeln historische Stadtansichten und veranstalten Führungen. Außerdem berichten sie über Raubbaustellen und rufen auch schon mal zu Protest-Versammlungen auf. Auf der Internetseite des Projektes sind viele interessante Fotografien in mehrern Kategorien und einige Panoramabilder mit Ansichten von Moskau, wie es mal war.

Alte Stadtansichten von Moskau findet man auch auf der Seite „Staraja Moskva“ (Altes Moskau), und zwar zeitlich geordnet angefangen vom 7./8. Jahrhundert bis zum Ende des 20. Jahrhunderts.

Ähnliche Bilder, und zwar nach Straßen geordnet und mit neuen Fotos nebendran zum Vergleich, bietet „Naidjennaja Moskva“ (Gefundenes Moskau).

Viel Spaß beim Durchklicken!

was man so „restaurieren“ nennt

So, jetzt ist genug Zeit vergangen seit meinem letzten Miesmach-Beitrag, da kann ich auch mal wieder über was Negatives schreiben. Und zwar darüber, dass ich es ganz schrecklich und schade finde, wie hier mit den letzten verbliebenen historischen Ecken von Moskau umgegangen wird. Stalin hat ja seinerzeit schon viel kaputt gemacht, aber unter Juri Luzhkov, Moskaus Langzeit-Oberbürgermeister, hat das noch mal ganz andere Ausmaße erreicht. Dass seiner Frau eine der größten russischen Baufirmen gehört, sei hier nur mal nebenbei erwähnt. Jedenfalls: Die Baubranche in Moskau boomt. Bürogebäude , elitätere Wohnhäuser und Einkaufstempel wachsen wie Pilze aus dem Boden. Und anstatt die historische Bausubstanz zu nutzen, wird die vielerorts einfach abgerissen oder das fraglichge Gebäude brennt „ganz zufällig“ ab, na, und was will man da noch machen? Danach kommt dann das, was man in Moskau „Restauration und Neubau“ nennt.

Solche Brände und Nacht-und-Nebel-Abrissaktionen sind auffallend häufig. Kein Wunder, denn Quadratmeter in Moskaus Zentrum sind Gold wert. Und wer braucht schon historische Gebäude? Das Viertel um die ulica Ostozhenka, wo ich arbeite, ist bestes Beispiel dafür, wie sehr Moskau sein Gesicht verliert. (Beweisfotos werden nachgeliefert.) Ich finde sowieso, dass Moskau außer seinen Kirchen und den Hauptsehenswürdigkeiten – Kreml, roter Platz, Basiliuskathedrale – immer weniger aufzuweisen hat, weshalb es sich lohnt, hierher zu kommen. Liebe Touristen, fahrt nach Petersburg! Aber den Moskauer Stadtvätern und Geldgebern ist das wurscht. Der Rubel rollt, die Immobilienpreise klettern immer noch, da kann man keine Rücksicht auf sentimentale Erinnerungen an Moskaus Vergangenheit nehmen.

Mittlerweile regt sich Widerstand, es gibt Bürgerinitiativen, und auch die Medien greifen das Thema auf. Die Moskauer Regierung hat daraufhin eine Verordnung erlassen, die das Bauen im Stadtzentrum nun massiv einschränkt. Dass von „jetzt“ keine Rede sein kann, weil bis über das Jahr 2010 hinaus schon Baugenehmigungen erteilt sind, wurde nicht erwähnt. Der Raubbau geht also weiter.

Spül mir das Lied vom Klo

Das hatte ich noch nicht erwähnt, weil ich ja nicht so viel Miesmache betreiben wollte: Bei uns zu Hause haben wir seit vorgestern ein wirklich „reifes“ Aroma im Bad, weil (mal wieder) die Kanalisation unseres Hauses Verstopfung hat. Es stinkt buchstäblich aus allen Rohren, und aus einem, das eigentlich versiegelt ist, kommt auf unerklärliche Weise auch (Ab-)Wasser in unser Bad gelaufen.  Kein Wunder, wenn die Nachbarn auch Pampers und so z.T. über die Klospülung entsorgen, wie sich vor knapp zwei Monaten bei der Öffnung der Kanalisationsluke vor unserem Wohnungseingang herausstellte. Die war nämlich übergelaufen und musste abgepumpt werden. Jetzt haben wir die Schweinerei nicht vor dem Eingang, sondern in der Wohnung, aber wenigstens sind diesmal nicht nur wir betroffen, sondern die anderen Nachbarn auch – da hat also diesmal keiner schadenfroh geguckt, und wir mussten auch nicht extra einen Tag frei nehmen, um irgendwen beim örtlichen Kommunalbetrieb ausfindig zu machen und zu bestechen überzeugen, doch bitte schnellstmöglich zu kommen und irgendwas zu tun. Da waren nämlich Nachbers diesmal selber ganz schnell am Telefon und bei den Bekannten, die jemanden kennen. Seufz. Ich hoffe ja, dass ich heute Abend wieder normal duschen und die Klospülung betätigen kann.

 Edit am 18.4.: Es hat dann doch ganze drei Tage gedauert, bis alles wieder einigermaßen funktionierte. Andrej hat unser Bad gründlich desinfiziert, und man kann nun wieder ohne Nasenklammer da rein. Leider sehe ich daran, wie das Wasser sich beim Betätigen der Spülung aus der Kloschüssel entfernt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis das ganze Theater von vorne losgeht. Wird Zeit, dass wir unser Holzhäuschen ausbauen und aus diesem Kaff verschwinden.